Was ist der Sinn des Lebens?
Bevor wir uns an die Mutter aller Fragen wagen, klären wir den Begriff „Sinn“ : Sinn ist in menschlicher Auffassung an ein Ziel geknüpft. Damit wird Leben zur Funktion: -ich tue, weil, -ich bin, weil, -ich will, weil….
Ein Ziel ist aber immer das Ergebnis kognitiver Abstraktion: ich denke etwas, ziehe meine Schlussfolgerungen und entwerfe meine Handlungen. In dieser Reihenfolge oder Kette verläuft (meist unbewusst) unser Leben. Unter diesem Blickwinkel betrachtet, ist Sinn etwas rein menschliches. Demnach hätte nichts außerhalb des Menschen Sinn in dieser Definition. Das soll nur verdeutlichen, dass unser Begriff im Normalgebrauch schon eingeschränkt ist. Verfolgen wir ihn aber so weiter.
Was bildet unsere Ziele? Neben der Bewältigung des alltäglichen Lebens sind es vor allem halb- oder unbewusste Prägungen und Kompensationsmanöver unserer Psyche, sprich: unseres Unterbewusstseins.
Kann ein Ziel denn gleichzeitig der Sinn sein? Dann ist der Sinn zwangsläufig immer nur vorübergehend. Ziel erreicht, Sinn erfüllt.
Besteht der Sinn des Lebens also im Erreichen bestimmter Ziele? Manchmal schon; aber wir sind eben nicht hier, um lediglich Funktionen zu erfüllen. Erweitern wir also jetzt den Begriff. Welches Sinn hat Existenz? Welchen Sinn hat alles Existierende?
Hat der Kosmos einen Sinn? Im Sinne der ersten Definition sicher nicht. Oder ein Tier? Ganz sicher auch nicht. Hat also die Existenz des Kosmos und der belebten Welt keinen Sinn?
Sinn ist immer eine Zuschreibung. Sinn existiert nicht unabhängig vom Mensch.
Wir laden unsere Umwelt und unser Leben mit Erwartungen auf, die wir dann für „Sinn“ halten.
Wenn wir nach Sinn fragen, fragen wir entweder in die Vergangenheit („Warum?“) oder in die Zukunft („Wozu?“). Das bedeutet, dass wir unter „Sinn“ meistens nur einen Vorgang beschreiben, der unserem Verstand unmittelbar zugänglich ist.
Um aber erfassen zu können, was Sinn in einem größeren Zusammenhang sein muss, sollten wir diese Vorstellung hinter uns lassen.
Echter Sinn ist immer eine Eigenschaft. Der Sinn eines Fisches, des Mondes oder der Wärmestrahlung besteht nicht darin, ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen, sondern der Sinn ist eine Eigenschaft ihrer Existenzen an sich.
Das Tier erfüllt seinen Lebenssinn („Lebenszweck“ finde ich ein unpassendes Wort) durch seine schiere Existenz. Es ist „sich selbst“, allerdings gefangen in den Begrenzungen dieser Existenz.
Der Mensch unterliegt dieser natürlichen Begrenzung viel weniger: als Kulturwesen kann er die Natur „gebrauchen“, er kann sie gestalten und für seine Zwecke umfassend nutzen. Auch kann er reflektieren und ist dadurch in der Lage , sich in der Zeit wahrzunehmen. Vergangenheit und Zukunft sind Größen, mit denen er arbeiten kann.
Natürlich bezieht der Mensch diese Dimensionen in seine Sinnsuche mit ein. Die Zukunft ist die Verheißung, dort wartet das Ziel- wieder funktioniert der Mensch im selbstgemachten Regelwerk.
Ist das Sinn?
Wie steht mein ICH, also meine tiefe Natur, der Mensch, der ich im Inneren bin, dazu?
Immer wieder finde ich mich so vor wie ich bin, nicht, wie ich evtl. gerne wäre. Ich muss „mit mir selbst umgehen“, muss das Leben leben, welches meines ist.
Wieviel davon bin ICH?
Eine Frage, die sich kein Tier je stellt. Das liegt nicht daran, dass es dazu nicht Imstande wäre, sondern weil ein Tier in seiner natürlichen Umgebung automatisch sich selbst erfüllt: es tut, was es tut, und es tut es gerne.
Kannst du das von dir sagen?
Und beim Menschen kommt die Kreativität als erweiternde Dimension dazu. Wir können unsere Welt gestalten. Gestalten wir sie so, wie wir sind? Wie wir es wirklich wollen?
Bewusstsein stellt sich immer gegen den Strom. Es gäbe kein reflexives (also ein auf sich selbst bezogenes) Bewusstsein, wenn es anders wäre.
Und jetzt können wir die Sinnfrage stellen: Sinn ist einerseits das Erfüllen meiner Selbst. Indem ich bin, wer und was ich bin, lebe ich automatisch sinnhaft. (Das bedeutet im Umkehrschluss natürlich, dass ein fremdbestimmtes Leben sinnleer ist).
Die Welt, die wir im Kosmos vorfinden, in der Biologie und Chemie, in der Physik und alles Naturwissenschaften überhaupt , ist aufeinander bezogen. Sie ist von einer Kraft durchzogen, die alles miteinander in Kontakt bringt.
Dieses positive Aufeinander- Bezogen- sein könnte man in der Psychologie „Liebe“ nennen. Liebe handelt nach aussen hin, und alles Äußere folgt einer inneren Wirklichkeit.
Bin ich in dieser Verbundenheit, bin ich nicht mehr außerhalb dieser Welt, sondern ein integraler Teil davon. Die Gegenwart ist die Bündelung aller Vergangenheit und deshalb nicht anders möglich als sie eben ist. Der Sinn meiner Existenz ist Hier und Jetzt. Der Sinn bin ich, als Teil dieses Kosmos.
Vollständig zu sein bedeutet nicht, immer „mehr“ zu werden, sondern sich im Ganzen wiederzufinden.
Wenn wir hingegen auf ein Ergebnis ausgerichtet sind, werden wir enttäuscht werden und Sinnlosigkeit verspüren. Wenn nicht das Tun an sich als Sinn erlebt wird, wirken wir für das Vergängliche, weil jedes Ergebnis seine eigene Vergänglichkeit in sich trägt: Erschaffen und Vergehen sind die zwei Seiten der selben Münze. Der Kosmos „spielt“ Leben: Spielen ist leicht, es ist Gegenwärtigkeit und Freude. Musik spielt man. Sie dient nicht dem Zweck, möglichst schnell zum Schlussakkord zu gelangen, sondern sie ist ganz Zweck und Sinn für sich selbst. Tue ich die Dinge meines Lebens mit Freude, werde ich beginnen, das Leben zu „spielen“. Die Frage nach dem Sinn des Spiels stellt sich nicht. Jedes Kind würde einen verwundert anschauen, würde man nach dem Sinn und Ziel seines Spiels fragen.
Wenn wir also Sinn von Bedingungen lösen, dann erkennen wir leichter das Ganze. Das Ganze ist nicht Infrage zu stellen, denn alles ereignet sich in größter Logik. Ob das, was sich ereignet, gut oder schlecht ist, sein dahingestellt- das ist auch immer eine Bewertung durch den menschlichen Geist. Ohne den IST es einfach, es wird vergehen und etwas anderes wird kommen. Dinosaurier waren weder gut noch schlecht, obwohl man – je nach Bemessungskriterien- beides sagen könnte.
Wir können Leben aber nicht einfach erwartungsfrei geschehen lassen- sonst wären wir keine Menschen. Deshalb bringen wir uns in Unfreiheit.
In dieser Unfreiheit haben wir ein riesiges System geschaffen, in dem man „Muss“- aber genau dadurch wird die Welt erfahrbar. Meine Bedingtheit als Mensch, diese Unfreiheit, dieses Gefesselt – sein an Bedingungen schafft ein Leben in Bewusstheit. Der Mensch kommt dadurch in die Lage, das Leben und seine Prozesse bewusst wahrzunehmen.
Auch das ist unser Sinn – und zwar der eigentlich spannende!
Wenn wir davon ausgehen, dass die Welt ein Prozess ist, der sich seiner selbst bewusst werden möchte, dann könnte der Sinn des Menschen darin bestehen, dieses Bewusstsein mit zu erzeugen.
Erst durch Unfreiheit wird Freiheit sichtbar oder erlebbar. Und Freiheit ist die Fähigkeit, sich selbst zu erkennen.
Aus dieser Perspektive können wir die Frage, wer der Mensch ist, neu stellen. Unser Dasein ist die spezielle und einzigartige Perspektive des Kosmos auf sich selbst unter unserem Namen.
Auch der Sinn unserer Existenz ist eine Eigenschaft, die vorhanden ist, die wir nicht suchen müssen.
Das Einzige, was zu tun wäre, ist ein authentisches Leben zu führen. Der Sinn ist dann inklusive.