Ist Bewusstsein ein reines Gehirnprodukt?

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Ein kurzer philosophischer Spaziergang

Gemäß der aktuellen Wissenschaft ist Geist bzw. Bewusstsein das Ergebnis neuronaler Hirnaktivität. Das Gehirn ist demnach lediglich der Generator von dem Phänomen, was wir Bewusstsein oder Geist nennen. Damit hat man den Menschen zum besseren Tier erklärt. Er hat keinen Anteil mehr an einer höheren Sphäre. Die Folgen davon sind allerdings
fatal: wenn wir selbst nichts anderes sind als das reine Ergebnis zellularer Aktivität, die es zufällig geschafft hat, sich ihrer selbst bewusst zu werden, dann hat nichts einen tieferen Sinn. Dann werden wir bei unserem Tode vom großen Nichts verschlungen werden. Dann sind Ethik und Moral nichts mehr als Regeln, die ein reibungsfreies Zusammenleben ermöglichen, aber letzten Endes immer ein heuchlerisches Element in sich tragen. Dann können Sinn und Lebenszweck nur aus dem Materiellen geschöpft werden und es muss jetzt geschehen. Egoismus kann dann die einzig wahre Triebkraft im Menschen sein.

Bei einer solchen Denkweise kommt Menschlichkeit immer erst hintenan. Man befindet sich allerdings in einer logischen Zwickmühle; nicht, dass die Wissenschaft über die Quantenphysik immer deutlicher feststellt, dass die klassische Mathematik mehr eine Schablone zur Erklärung der Welt ist als ein Schlüssel zur einzigen Wirklichkeit. Man geht auch stillschweigend davon aus, dass es dem Menschen überhaupt möglich ist, diese Wirklichkeit zu erkennen und zu erfassen. Dass diese dort weitergehen könnte, wo unsere Sinne und Messinstrumente nicht hinreichen, fällt unter den Tisch.

Platon war der erste Denker, der feststellte, dass es keine Materie ohne Form gibt- und keine Form ohne Materie. Die geistige Dimension, die Form (er nannte es „Idee“) ist dabei vorgeordnet: nichts existiert ohne die Vorwegnahme oder das Vorhandensein einer immateriellen Form. Das weißt auf etwas Unumstößliches hin: Information ist die Vorbedingung aller Existenz. Es existiert nichts ohne Information. Woher „weiß“ das Samenkorn oder die
Eizelle von ihrer endgültigen Form oder ihrem Weg dorthin? Und wo befindet sich die Information? Weitergedacht würde das bedeuten, dass es keinen Ort ohne Information geben kann. Information – so könnte man sagen – durchdringt alles. Hat Information einen Träger, ein Medium?
Laut der herrschenden Vorstellung der biologischen Evolution entwickelte sich alles in
Anpassung an seine Umwelt. Alles dient einem sinnvollen Zweck. Konsequent muss man aber dann fragen: Nach welchen
Anforderungen entwickelte sich aber Bewusstsein? Entweder existierte es vor seiner „Verwendungsmöglichkeit“ oder es dient keiner Solchen.

Zuschreibungen an das Bewusstsein und Geist wie Auswerten, Bewerten, Versuch + Irrtum oder Erinnern sind Fähigkeiten oder Qualitäten, die Evolution erst ermöglicht haben und nicht deren Ergebnis sind – und nicht sein können. Die Existenz von Gehirnen ist offenbar nicht die Voraussetzung, solche zu „erdenken“. Intelligenz ist kein Alleinbesitz oder Produkt von Gehirnen, denn Intelligenz muss es sein, die Gehirne erst hervorgebracht hat. Intelligenz ist eine Eigenschaft des Kosmos (oder Gottes).

Wir kommen auch an einen Punkt, an dem sich gewisse Voraussetzungen nicht weiter reduzieren lassen. Wahrnehmung braucht dreierlei: einen Raum, in dem sie stattfindet, Zeit, um sie vom Geschehen als getrennt zu erfahren und ein „Ich“, welches sich als erfahrend erlebt (I.Kant nannte diese Voraussetzungen die drei a -Prioris der Wahrnehmung). Diese Bedingungen sind nicht das Denken an sich; sie sind die Voraussetzungen, in welchem der Geist sich selbst erkennt. Denn was wäre die Welt ohne Geist, der sie durchdringt? Gäbe es sie? Nein. Erst durch diese geistige
Durchdringung kommt Bedeutung in die Welt. Ein Geräusch wird erst zum Geräusch, wenn es von einem höhrenden Bewusstseinsträger als Solches erkannt wird. Existenz ist nur durch Wahrnehmung möglich, nicht umgekehrt.
Beides ist nicht voneinander zu trennen. Es sind zwei Seiten derselben Erscheinung.

Alles Wahrnehmbare ist in seinem Ursprung formuliertes (oder geformtes) Bewusstsein. Gedanken sind formuliertes Bewusstsein. Bewusstsein ist überall. Ein „leerer Raum“ oder ein „Nichts“ ist eine Abstraktion, eine Unmöglichkeit, denn: wie soll es etwas geben, das NICHTS ist?
Auch kann sich Bewusstsein nicht selbst wahrnehmen, so wie “Sehen” erst durch Subjekt und Objekt gemeinsam möglich ist und keine isolierte Eigenschaft ist, aber erst durch Bewusstsein zur Erfahrung wird.
Die einzig logische Schlussfolgerung aus diesen wenigen Überlegungen ist: „Weltraum ist Bewusstsein“ oder wie es Helmut Friedrich Krause ausgedrückt hat: Weltraum ist Weltseele.

Das „Ich“ ist der Fokus des Bewusstseins und formiert es. Durch Ich wird SEIN erst möglich wie durch ein Ohr erst ein Geräusch möglich wird. Diese Feststellung ist nicht nur von rein philosophischem Interesse. Warum? Weil Bewusstsein ein ICH braucht, um sich selbst zu erkennen.

Irgendwann ist im Laufe jeder biologischen Entwicklung der Punkt erreicht, an dem es mit den eigenen systemischen Möglichkeiten nicht weitergeht. Aus Natur wird Kultur. Die Natur “Icht”. Es braucht das reflexive Ich- Bewusstsein zur weiteren Entwicklung. Ab diesem Punkt beginnt die Schöpfung, sich vertrauensvoll in die Hände des Menschen zu legen – bildlich gesprochen. Die menschliche Existenz bekommt damit einen Sinn, der nicht höher gedacht werden kann. Die Selbstreferenz des Mineral, des Pflanzen und Tierreichs ist überschritten. Nun will der Geist weiter in seiner Entwicklung und diese Überschreitung kulminiert im Menschen.
Der Mensch ist nicht einfach ein Seitenzweig der Evolution. Noch viel weniger ist er ein Fehlgriff. Er ist in diesem Sinne tatsächlich die Krone der Schöpfung- nur sollte er sich dessen bewusst sein und die Verantwortung dafür übernehmen. In uns lebt die vollständige Entwicklungsgeschichte unserer Heimat Erde. Wir sind Ergebnis einer
Millardenjahre- langen Entwicklung einer Welt, die sich ihrer Selbst bewusst wird.
Das will jede Entwicklung auf jedem Planeten. Wir sind dieser Planet.

Noch etwas wird unumgänglich, wenn man die Wirklichkeit der Existenz des Geistes außerhalb biologischer Gehirne akzeptiert: es ist die Tatsache, dass es dann keinen Tod gibt. Es gibt nichts totes im All. Jedes Atom lebt. Information braucht keinen physischen Speicher, wie oben festgestellt wurde. Erfahrungen des Bewusstseins – und nichts Anderes ist Leben (oder Lebenserfahrung) — gehen nicht verloren. Sie sind Teil der Ursubstanz unseres Kosmos: des Bewusstseins, welches andauernd neue Formen annimmt.

Unterscheidung Geist- Bewusstsein

Und daher noch eine kleine Unterscheidung: der Geist kann als geformtes Bewusstsein verstanden werden. Alles, was existiert, ist die Projektionsfläche des Bewusstseins, auf welcher Erfahrung entsteht. Erst durch Bewusstsein ist Wahrnehmung möglich, ohne Bewusstsein gibt es keine Welt- und damit keine Existenz. Das Ereignis und dessen Wahrnehmung fallen erst im Bewusstsein ineinander. Erst durch diese „Zutaten“ zusammen kann Welt überhaupt existieren.
Das Große bildet sich im Kleinen ab. Alles ist verbunden, das Prisma ist immer vollständig. Der Mensch ist ein Fraktal des Großen: er wird geboren, doch er kommt nicht aus dem Nichts. Er lebt, erinnert und bildet seine ganz spezifische Form. Dann stirbt er, sein physischer Körper verschwindet nicht im Nichts, sondern wandelt die
Form. Es ist das ständige Werden und Vergehen, das Spiel des Formen-und Zustandwechsels, das aber in Summe immer vollständig ist. Bewusstsein kann also angenommen werden als geistige Substanz und Ursprung aller
Dinge. Es kann mit dem verglichen werden, was wir in der Welt der Physik unter dem
Raum verstehen. Bewusstsein ist der Hintergrund, auf dem Erfahrung stattfindet. Doch ist es nicht nur der Hintergrund, sondern auch der Ur-Grund, in welchem alles potentiell vorhanden ist. Es ist omnipräsent und ewig. Dort, wo es ist, ist Existenz, wo es nicht ist, gibt es nicht. Bewusstsein ist aller Wahrnehmung vorgeschaltet. Alles geht
dort auf und findet innerhalb dessen statt. Der Geist kann als Werkzeug des Bewusstseins verstanden werden. Er ist die Fokussierung des Bewusstseins. Mittels des Geistes wird Bewusstsein spezifisch. Bewusstsein ist das Medium und der Raum, Geist ist der Impuls, die Frequenz oder der Fokus darin. Raum existiert erst mit seiner
Wahrnehmung, die Bewegung sein muss. Diese Wahrnehmung, diese Bewegung ist der Geist.

Durch “mich” “individualisiert” und erfährt sich Bewusstsein. “Ich” ist das Mittel, Bewusstsein “lebendig” zu machen. “Ich” bin auch Verkörperung des Bewusstseins in spezifischer Form. So, wie sich ein Auge selbst nicht sehen kann und dazu einen Spiegel braucht, braucht Bewusstsein diese Individualisierung um sich selbst zu erfahren.

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